Zweites Kapitel
Zweites Kapitel
Dann war da noch Wolfgang, der arbeitete in einem plattenladen namens Veni Vidi Vinyl. Ein job, den Frank selbst gerne gehabt haette. Aber immerhin durfte er, an starken wochenenden oder wenn not am mann war, zumindest aushelfen. Insgeheim hoffte er immer auf eine fix-anstellung, war jedoch auch damit zufrieden, wie es lief, denn eine personalaufstockung stand ohnedies nicht zur debatte. Weil es gab ja noch Jimmy, den besitzer, der kuemmerte sich hauptsaechlich um den versand. Damit war die bude ohnehin fast ueberbesetzt. Letzterer war ein alter haudegen der branche, welcher bereits drei geschaefte in den ruin gefuehrt hatte. Strapazierte stets die nullrechnung wenn es um geld oder aehnliches ging. Unterm strich wuerde nichts bleiben, waere schlicht ein hobby, ein sparschwein ohne boden oder derlei sprueche klopfte er für gewoehnlich. In wahrheit verspielte er immer wieder beachtliche summen in hinterzimmern dubioser clubs. Die pechstraehne war sein staendiger begleiter. Wenn er zum spielen ging, dann wuszte Wolfgang nie, ob er am naechsten tag noch einen job haben wuerde. Hatte er wider erwarten mal gewonnen, haute er dermaszen auf den putz, dasz er doch wieder fast ohne kohle heimkam. Seine frau hatte ihm - nicht nur - deswegen laengst verlassen. Das war vielleicht eine schoenheit gewesen, sang einst in einer band, die bestand nur aus musikerinnen, nannten sich The Stiletto Heels und waren zu viert. Basz, gitarre schlagzeug, gesang – mit gelegentlich zweitem sechs-saiter, wenn es voller rueberkommen sollte. Die machten keine gefangenen, diese ladies, spielten ihr ding kompromiszlos runter, durch die mitte, lieszen sich in keine rollenspiele draengen. Da standen die ganzen gaffer unbeweglich in der ersten reihe und holten sich geistig einen runter, wogegen all die maedels im publikum ihre role-models feierten. Jimmy verschaffte ihnen die auftritte und verkaufte, in seinen damals zwei geschaeften, die demo-tapes. Als draufgabe servierte er meist irgendeine fragwuerdige geschichte dazu, welche das interesse ankurbeln sollte. Weiters bekam jeder vertreter einer plattenfirma der vor ort vorstellig wurde, weil er etwas aus seinem repertoire verkaufen wollte, eine dieser kassetten mit auf den weg. Beigelegt war eine von ihm phantasievoll ausgeschmueckte kurz-bio der truppe. Schlieszlich bisz dann jemand an und das quartett wurde unter vertrag genommen. Ein longplayer plus option auf einen weiteren wurde ausgehandelt und Jimmy liesz sich auch noch den produzenten-job absegnen. Dies war nicht allen in der formation recht, dadurch kam es bereits im vorfeld der aufnahmen des erstlings zu spannungen. Die einheit wies erste risse auf . Dazu kam, dasz in weiterer folge die dazugehoerende cover-gestaltung kein fettnaeppchen ausliesz. "Sex sells", dachten sich wohl die geldgeber und vor allem der umtriebige – quasi – manager. Als schluszendlich noch bei den credits, für etwaige tantiemen, scheinbar nicht alles rechtens aufgelistet war, gab es im zuge der veroeffentlichungs-party, die noch dazu in einem strip-club abgehalten wurde, unschoene worte sowie ein ordentliches handgemenge. Laut geruechten wurde einem vertreter des labels von einer der ladies die nase gebrochen. Die lokalitaet hatte übrigens Jimmy organisiert, weil er dort noch spielschulden hatte. Diese unpassenden szenen, neben den anderen ungereimtheiten, fuehrten schlußendlich zur aufloesung des vierers. Man konnte nicht mehr miteinander – innerhalb wie auszerhalb. Die anstehende tournee wurde abgesagt, der deal annuliert. Somit null promotion für ein album, dasz es eigentlich gar nicht gab beziehungsweise welches eingestampft wurde. Jimmy blieb euphoriebedingt auf einer groeszeren summe sitzen und mußte eines seiner beiden geschaefte abstoszen. Da wurde dann so ein laden fuer erwachsenen-zeugs daraus gemacht. Spielzeug, magazine, buecher, photos, filme aber auch einschlaegige musik plus das eine oder andere hoerspiel. Die neuadaptierte huette wurde darauf groszmaeulig Player´s Paradise getauft. Wem faellt denn sowas ein? Angeblich hatten die noch zusaetzlich zwei kleine kabinen eingebaut. Wohl fuers trockentraining! Im hintergrund mischte natuerlich dieser nacht-club-bosz mit. Das war so ein zwielichtiger typ, der scheinbar immer denselben speckigen anzug trug. Jedenfalls konnte sich der gerupfte Jimmy als trostpflaster zwei kartons dieses nun-doch-nicht debuets von The Stiletto Heels sichern, wovon er in weiterer folge immer wieder, wenn er knapp bei kasse war, ein letztes promo-exemplar ueber dubiose kanaele abstiesz. Auch das reservoir an demo-tapes schien scheinbar unerschoepflich. Mittlerweile hatte der eigentliche longplayer naemlich einen beachtlichen wert, galt als verlorene perle, weil er nie wieder aufgelegt wurde. Das damalige label ging inzwischen bankrott, die rechte an einer neuerlichen vervielfaeltigung waren nicht ganz klar und die protagonistinnen in alle winde zerstreut. Niemand der besetzung wohnte mehr in der stadt, man wuszte nicht mal, ob ueberhaupt noch alle am leben waren. Spaetere semester bezweifelten mitunter, dasz es besagten vierer je gegeben hatte. Hielten das ganze für ein maerchen, einen stunt, mit dem man legenden zuechtet beziehungsweise nachfolgende acts verkaufen wolle. Die unterschiedliche auslegung der entstehungs-historie durch den selbsternannten nachlasz-verwalter befeuerte dies nur.