Fuenftes Kapitel
Fuenftes Kapitel
Sally, ihr vater war banker, die mutter lehrerin gewesen. Ergab in summe eine steife erziehung, mit mehr regeln als freiheiten. Klosterschule, internat, geigenunterricht, kirchenchor. Mit 15 jahren buexte sie das erste mal aus, mit ihrem um vier jahre aelteren freund. Dabei landeten sie bei einer gemeinschaft, die in wohnwagen umherzog, so eine art zirkus und doch wieder nicht, eher eine freak-show. Jedoch grenzenlose freiheit, lagerfeuer-romantik, halluzinogene traumwelten und ungezwungene, ausufernde liebe. Aber das glueck war nur von kurzer dauer, denn bald darauf hatte sie ein beauftragter privatschnueffler aufgespuert und brachte sie nach hause. Die wagen gingen in flammen auf, deren bewohner landeten teilweise in geschlossenen anstalten und ihr liebhaber irgendwo blutverschmiert im gefaengnis. Sie sah ihn nie wieder.
Von da an stand sie noch staerker unter beobachtung, hatte jedoch mittlerweile die liebe zum rock & roll entdeckt und rebellierte gegen alles und jeden. Ihre geige verbrannte sie im offenen kamin. Ihre eltern befuerchteten, sie waere vom teufel besessen, wogegen Sally sich berufen fuehlte, erleuchtet. So schlich sie mitunter spaetabends, wenn alles schlief, in die live-clubs der umgebung. War von all diesen wilden, freien, unbekuemmerten musikern fasziniert, deren naehe versetzte sie in hochstimmung. Zumindest wirkte all dies so zwanglos auf sie, ganz anders als sie es von zu hause gewohnt war. Natuerlich traf man, wenn man in diesem dunstkreis immer wieder auftauchte, gleichgesinnte und schlosz freundschaften. Susi, Juan, Claudia und wie sie alle hieszen, waren auf der gleichen wellenlaenge unterwegs. Ausgestoszene, miszverstandene, getriebene, begeisterte, bessesene wie sie und garantiert traf man jemanden von ihnen, wann immer angesagte musiker in der naehe halt machten. Manche der kuenstler, mitunter auch kuenstlerinnen, lernte man dann auch persoenlich kennen, blieb mitunter in kontakt. Zwei jahre spaeter haute sie abermals ab, ging das erste mal mit auf konzertreise. Ein lokaler act tourte 14 tage durch die gegend und sie war als guter geist mit an bord. Alles auf anschlag drehen und mit vollgas durch die verkackte galaxis, lautete die devise. Es war für sie wieder mal das ultimative erlebnis – keine verbote, keine auflagen, augen zu und sich einfach fallen lassen, irgendjemand wuerde dich schon auffangen und der oder die waere dann dein prinz respektive prinzessin. Kam einfach nur megageil rueber, das ganze. Eigentlich wollte sie gar nicht mehr nach hause, doch irgendwann geht auch die schoenste zeit zu ende und Sally landete wieder daheim.
Da gab es vorerst mal einen monat hausarrest, danach nahm sie der vater persoenlich unter die fittiche, sie begann in der bank zu arbeiten. Disziplin, puenktlichkeit, genauigkeit, kleidungsvorschriften etcetera. Alles was sie so gar nicht war, doch es gab einfach kein entkommen - zumindest tagsueber, aber in der freizeit, wann immer es moeglich war, stellte sie wieder alles auf den kopf. Alleine dieses gefuehl, wenn man vor der show die noch fast leere auftritts-lokalitaet betritt, dieser geruch von kaltem rauch, getrocknetem schweisz, etwas leder oder denim, durchgebrannte elektronik, restalkohol und sonstige rauschmittel - oder was immer das war, moeglicherweise etwas pisse. Egal, jedenfalls genau ihre duftnote, exakt ihr lifestyle. Wogegen diese ganzen seminare, teekraenzchen, theaterbesuche mit frau mama und ihren langweiligen, bornierten freundinnen, geschaeftsessen, besprechungen oder komittee-versammlungen mit dem herrn papa, all dies ging ihr total am arsch vorbei. Am liebsten wuerde sie irgendwie im musik-geschaeft mitmischen, damit ihr geld verdienen. Direkt die buehne war jetzt nicht ihr ziel, doch dahinter oder so. Wie auch immer, als sie mit zwei der maedels mal bei so einer angesagten truppe, die ein konzert in ihrer naehe gab, abhing, da lernte sie deren manager kennen. Okay, der lief rum wie ein banker, war jedoch anders als dad und die ganzen anderen sesselfurzer, hatte das gewisse etwas und alles im griff. Der engagierte sich fuer seine jungs, brachte sie ins richtige licht und klaerte alles bis ins letzte detail mit dem veranstalter. Der war business, sprach aber rock & roll und dies nicht zu knapp. Das hatte ihr imponiert. Sie wollte kuenftig auf der einen seite von ihrem vater mehr über geschaefte wie auch finanzen lernen und auf der anderen noch genauer hinter die kulissen des musik-geschaefts blicken. Moeglicherweise kaeme dann, wenn man eins und eins zusammenzaehlt, etwas ordentliches dabei raus. So oder aehnlich hatte sie sich dies zumindest vorgestellt.