Achtes Kapitel
Achtes Kapitel
Revolution Dolls nannten die sich, das war eine total abgefahrene, weibliche punk band. Angezogen wie puppen, blasz geschminkt, sahen alle irgendwie gleich aus, fast eine horde von zwillingen – weil viele fans genauso rumliefen. Die hatten damals gerade die sechste single veroeffentlicht, noch kein longplayer, nur 7-inches, welche bei einem kleinen label namens Dollhouse Records rauskamen. Dieses wiederum gehoerte deren manager, Ken Schmitt, der hatte so gar nichts vom rock und schon gar keinen punk. Buerstenschnitt, glattrasiert, braungebrannt, ein beschissener anzug mit passendem hemd plus hals- wie steck-tuch. Der gepflegte auftritt wurde mittels hochpolierter leder-schluepfer abgerundet. Im schlepptau hatte er stets so einen riesengroszen, kraeftig gebauten typen, einen ehemaligen seemann, der für ihn die gagen vorab kassierte und auf die musikerinnen aufpaszte. Waehrend der auftritte stand er immer neben der buehne und falls irgendein ueberdrehter fan seinen schuetzlingen zu nahe kam, sorgte diese Popeye-figur für ordnung. Trotz dieser fan-distanz - oder gerade deswegen - wurde die formation immer populaerer, zu einem gewichtigen teil via mundpropaganda. Zuletzt waren auch die medien aufgesprungen, da man permanent vor ausverkauften haeusern spielte, die konnten sie nicht mehr ignorieren. Wohl auch weil Schmitt bewuszt immer etwas zu kleine lokalitaeten buchte.
Jedenfalls war Frank froh ein ticket erwischt zu haben und traf vor ort, an der bar, auf Wolfgang. Das war eine freude. Der war wiederum mit seinem bosz gekommen, dessen laden diese truppe von anfang an unterstuetzt hatte und der, laut geruechten, auch schon einiges spielgeld an besagten manager verloren haben soll. Schmitt war naemlich ein abgebruehter zocker in jeder hinsicht, hatte jeden bluff drauf und deshalb Jimmy schon das eine oder andere mal bis auf die unterhose ausgenommen. Dieses wiedersehen der beiden ehemaligen schulkamaraden, nach langer zeit, wurde angemessen begossen und als die show vorbei war, ging man noch zu dritt, also mit dem plattenladen-besitzer, in einen anderen schuppen. So kam es dann, dasz Frank, nach unzaehlbaren drinks sowie endlosem geplauder ueber musik, den teilzeit-job im Veni Vidi Vinyl erhalten hatte. Weil mittlerweile zu den staerkeren geschaeftszeiten sowieso hilfe vonnoeten war. Ohnehin bereits mal thema im laden gewesen. Wolfgang brachte somit hierfuer, zu vorgerueckter stunde, seinen kameraden ins spiel und liesz nicht mehr locker. Nach etwas bedenkzeit plus der alten leier von den kosten, willigte Jimmy ein.
Die Revolution Dolls wiederum hatten ein jahr spaeter bereits ihre zehnte single veroeffentlicht. Mittlerweile waren sie damit im vertrieb einer der groszen firmen, tourten bereits um die welt und setzten jede menge merchandise ab. Zum verkauf kam alles moegliche, punk diente fuer diesen zweck nur als symbol, deshalb ging das ganze weg wie geschnittenes brot. Blosz zeigte all dies null auswirkung auf den lebensstandard der protagonistinnen. Die bekamen immer noch ein woechentliches taschengeld von Schmitt und dieses war knapp bemessen. Was frueher oder spaeter zu miszstimmung fuehren muszte. =Was braucht ihr geld, ihr seid entweder auf tour oder im studio, seht die ganze welt, bekommt zu essen & trinken, kleidung sowie medizinische versorgung, habt ein dach ueber den koepfen, werdet betreut, das alles kostet geld=, war der standpunkt des managers dazu. =Wir sind keine marionetten, koennen das nicht ewig machen und wollen dafuer einen fairen anteil sehen=, schlug Katana mal vor versammelter truppe auf den tisch und wurde durch Hina ein paar tage spaeter ersetzt. Die anderen hielten still, machten weiter als waere nichts geschehen. Ken Schmitt war einfach ein knallharter geschaeftsmann, dem ging es nicht um musik, revolution, einzelne personen, eine einstellung oder gar kunst, sondern blosz um ertrag und daher zwinkerte er kein biszchen, wenn jemand über die planken springen muszte. Hin & wieder sollte man ohnehin ein zeichen setzen, stand dafuer wohl im handbuch fuer halsabschneider.
Es war ja nicht der erste act, den er managte und es wird definitiv nicht der letzte gewesen sein. Dieser typ schuerfte nach edelsteinen, schliff sie zurecht und verkaufte sie, wenn die zeit reif war, mit gewinn. Gefuehle hatten da keinen platz. Die naechsten rohdiamanten hatte er bereits entdeckt. Ein ehepaar, das gemeinsam musizierte, in perfekter harmonie – obwohl sie privat oft stritten. Schrieben ihre songs selbst und spielten mehrere instrumente. Bei deren liedgut war alles liebe, honig, eierkuchen. Keine wolke truebte die heile welt, welche sie in ihren musikstuecken vorgaukelten. Die brachten selbst steine zum weinen – bis auf Schmitt, der hatte sich angeblich mithilfe eines knebelvertrages alle rechte gesichert, wie damals gemunkelt wurde. Im gegenzug dafuer bereits einen 5-alben-deal bei einem der big players ausgehandelt und war dabei guter hoffnung auf ordentlich profit. Was kurz danach realitaet zu werden schien, als deren erstling in die top-20 marschierte. Hier war wirklich eine menge potential vorhanden. Ken wollte sich fuers erste intensiver um dieses duo kuemmern und verkaufte bald darauf den managment- wie label-vertrag dieser Dolls, woran er ohnehin das interesse verloren hatte, an den vertrieb. Angeblich ohne den maedels etwas mitzuteilen, die wurden vor vollendete tatsachen gestellt. Was aus ihnen dann wirklich geworden ist, war nicht ganz klar, denn sie verschwanden irgendwie vom radar. Man hoerte einfach nichts mehr musikalisches von denen. Eine zeitlang hiesz es, sie wuerden, nach umbesetzungen, an ihrem ersten longplayer arbeiten, doch der kam einfach nicht, sondern eine singles-compilation, waehrend dieses ehepaar mit jeder auskoppelung vom album, hand in hand die charts hinaufwanderte. Schmitt ging mit der kollekte hintennach.
Zu den auftritten fuhr man publicity-traechtig in einem generalsanierten, alten bus, welcher bunt angemalt war. Der fahrer dazu nannte sich Bruder Jakob, soll ein ehemaliger moench gewesen sein, der nach seinem austritt aus dem orden im gefaengnis gelandet war. Dort lernte er, laut geruechten, Schmitt´s nunmehrigen bodyguard kennen und der hatte ihm in weiterer folge diesen job verschafft. Dieser Jakob verliesz das kloster damals, weil er, nach eigenen angaben, die freiheit schmecken wollte – mit allem was dazugehoert. So erzaehlte es dieser bruder zumindest als er, im rahmen eines auftritts des duos in der stadt, im Veni Vidi Vinyl store auftauchte. Er sollte für seinen chef die platte eines geschwisternpaares auftreiben, welches mit dem gleichen dreh wie dessen schuetzlinge arbeitete. War leider nicht vorraetig, doch der fahrer blieb trotzdem etwas laenger, weil ihm Jimmy ein bier spendierte. Wie zu erfahren war, duerfte besagter bruder von der freiheit ein zu ueppiges stueck abgebissen haben. So landete er wegen einer angeblich laeppischen wirtshaus-schlaegerei im knast. Zwei gebrochene kiefer und eine nase als draufgabe hatte er zu verantworten, wie andere quellen berichteten. Dort sasz bereits Iwan, besagter mann fuers grobe, ebenfalls wegen gewaltdelikten, munkelte man. Beide verstanden sich auf anhieb. Zwei jahre spaeter traf man sich abermals, ersterer als lokaler security und letzterer eben im gefolge von Ken Schmitt. Man hob anschlieszend ein paar drinks auf die alten zeiten und blieb in kontakt. Mit start der neuen mission zog man an einem strang, trat fortan mit geballter kraft auf, im sinne von kunst & kultur - so oder aehnlich wollte er das verstanden haben. Wie auch immer, bevor er den record shop wieder verliesz, landete noch die gesamte belegschaft plus Samuel auf der gaesteliste.